Mensch und Maschine. Oder der smarte Sprung nach vorne.

Künstliche Intelligenz als Treiber für Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Gesellschaft.

Veranstaltungsdatum: 15.09.2018

Stephan Huthmacher

Ob in der Wirtschaftspolitik, Wissenschaft, Forschung oder in den Unternehmen: Künstliche Intelligenz ist das Thema der Stunde. Dabei wurde die Diskussion noch vor Kurzem durch die eher angstbesetzten Seiten der KI dominiert wie z. B. Singularität, Substitution des Menschen, Jobkahlschlag oder Blackbox-Algorithmen.

Inzwischen hat sich der Wind gedreht. Beim Blick auf die KI gilt mehr und mehr das Motto: So viele Chancen wie möglich, so viele Risiken wie nötig! Je schneller sich KI und Robotik heute entwickeln und je mehr Bereiche in den Unternehmen, der Arbeitswelt und in der Gesellschaft von ihrem Potential profitieren, desto stärker verlagert sich der Fokus auf die positiven, heute schon sichtbaren Aspekte und vor allem Innovationssprünge dieser Querschnittstechnologie.

Zu ihnen gehört die Annäherung von Mensch und Maschine, d. h. die Übertragbarkeit von immer mehr Funktionen des menschlichen Denk- und Fühlvermögens auf Roboter und andere künstliche intelligente Systeme. So sind sprachbegabte KI-Systeme und humanoide Roboter heute immer präziser in der Lage, Gefühle, Emotionen und sogar Empathie zu simulieren und in uns zu erzeugen. Die bild-, text- und spracherkennenden KI-Systeme lernen inzwischen, sowohl subtilste Mikrosignale in Gesichtsausdruck, Mimik, Gestik, Körperhaltung, Stimmfärbung oder -tonlage wahrzunehmen und Inhalte zu verstehen als auch darauf adäquat zu reagieren – und damit etwas zu ‚tun‘, das bisher die exklusive Domäne organischer Systeme wie Mensch oder (im eingeschränkten Sinne) auch Tier gewesen ist. Damit stoßen die auf Basis künstlicher neuronaler Netze und der sensorbasierten Welterfahrung lernenden Roboter ein neues Fenster in der KI-Anwendung auf. Mit der Orientierung der Roboter an den Neurowissenschaften und der Funktionsweise des menschlichen, auf die sinnenbasierte Interaktion mit der Außenwelt angewiesenen Gehirns, stehen wir am Beginn einer neuen Ära in der Beziehung von Mensch und Maschine.

Künstliche Intelligenz erweist sich darüber hinaus in Forschung und Wissenschaft als hochgradiger Wissens- und Erkenntnisverstärker. Zum einen beschleunigt die KI ihre eigene Weiterentwicklung enorm. Zum anderen kamen und kommen viele bis vor wenigen Jahren noch nicht denkbare Meilensteine, Erkenntnisdurchbrüche und Projekte in anderen Wissenschaften und Forschungszweigen nur zustande, weil sie auf die Algorithmen, die Big Data- und Analytics-Fähigkeiten, das Maschinelle Lernen oder die Mustererkennung der KI-Systeme zurückgreifen konnten. Als Beispiel können u.a. die extrem datenintensiven Life Sciences dienen.

Damit sich die KI als Technologie optimal entwickeln kann, ist sie auf ein stimulierendes und förderndes Umfeld angewiesen. So sieht es inzwischen auch die Bundesregierung: Die kürzlich veröffentlichten Eckpunkte eines Masterplans zur künstlichen Intelligenz samt der projektierten Gründung einer „Bundesagentur für Sprunginnovationen“ sollen einen fruchtbaren Boden bereiten für die Weiterentwicklung dieser Basistechnologie, für neue intelligente Produkte und Anwendungen sowie für datengetriebene Geschäftsmodelle der Industrie.

Die Initiative ist sehr zu begrüßen. Allerdings lässt sie sich ohne Weiteres auch als eine späte Antwort nicht nur auf Silicon Valley & Co., sondern in erster Linie auf die chinesische Herausforderung interpretieren. Gemeint ist damit der (für uns) überraschende Wandel Chinas von der verlängerten Werkbank der Welt zum Innovationsführer in immer mehr Branchen, mit KI an der Spitze. Zur Herausforderung gehört auch der durchaus erfolgreiche Staatskapitalismus, der Unternehmen, Initiativen und Forschungen sowohl großzügige finanzielle Ressourcen als auch den Zugriff auf große Datenmengen zur freien Verfügung stellt. Vor allem aber antwortet die Initiative unserer Regierung auf den Masterplan der chinesischen Regierung, mit dem sich das Reich der Mitte im vergangenen Jahr nicht nur in Bezug auf die Weiterentwicklung der KI, sondern auch hinsichtlich der Innovationsführerschaft bei anderen Zukunftstechnologien sehr ehrgeizige Ziele gesetzt hat.

Betrachtet man das innovationsfreudige Umfeld, in dem in China KI-Forscher, -Startups und -Unternehmen gefördert werden, müssen wir uns dringend fragen: Was müssen wir tun und was dürfen wir nicht lassen, um mit den exponentiellen Entwicklungssprüngen im Reich der Mitte sowie den Idealbedingungen für KI-Forscher und KI-Unternehmer mithalten zu können?

Last, not least bleibt trotz aller Erfolge der KI die eher philosophische Frage: Wie können wir die KI über uns hinaus entwickeln - und trotzdem das Spezifische der menschlichen Intelligenz bewahren? KI oder MI? Vielleicht die falsche Frage. Sowohl MI als auch KI? Klingt schon richtiger – im Sinne einer produktiven Kooperation, eines fruchtbaren Austausches, gegenseitiger Ergänzung und Synergie. Ganz im Geist der Petersberger Gespräche.

 

Einladung der Petersberger Gespräche 2018