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Petersberger Gespräche 2013

Faktor Mensch: Ökonomie und Innovation im Zeitalter von Big Data

Stephan Huthmacher

Die Wissenschaft erfindet, die Industrie wendet es an, der Mensch passt sich an.“* So plausibel das Motto auf der vor achtzig Jahren stattfindenden Weltausstellung in Chicago für die damalige Zeit noch klang, so komplex und facettenreich erscheint uns heute die Beziehung zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Mensch. Der Mensch ist alles andere als passiver Empfänger und Anwender von Innovation. Er steht in allen drei Prozessschritten in ihrem Mittelpunkt. Als Erfinder, Entwickler und Adressat.

Heute wissen wir, dass kein Unternehmen wettbewerbsfähig bleiben kann, ohne beim Innovationsprozess den Menschen als Kunden, Verbraucher, Anwender und Mitarbeiter zum Maß aller Dinge zu machen. Mit all dem, was ihn als Menschen ausmacht, seiner Identität, seinen Bedürfnissen, Fähigkeiten, Werten und Entscheidungskriterien. Ob bewusst oder unbewusst: Alle diese Faktoren spielen eine Rolle bei der alles entscheidenden Frage: Was macht die eine Innovation erfolgreich und warum wird die andere ein Flop? Ganz gleich, ob es sich hierbei um ein bahnbrechendes Produkt, eine Dienstleistung, die Einführung einer neuen Technologie bzw. Methode oder eine interne Reorganisation handelt.

Viele Blicke richten sich dabei auf die Neuroökonomie. Interdisziplinär verortet an der Schnittstelle von Neuro- und Wirtschaftswissenschaften und unterstützt durch bildgebende Verfahren, stellt sie alte Fragen nach Gründen, Motiven und Entscheidungskriterien von Grund auf neu. Ist der Mensch wirklich so einzigartig – oder lässt sich sein Verhalten vorhersagen und positiv beeinflussen? Wie steht es um die Macht des Unbewussten – und um die Frage, wer in der uralten Ehe von Verstand und Emotion letztendlich das Sagen hat?

Die Neurowissenschaften liefern der Ökonomie Erklärungsmodelle für Bereiche, die bis vor kurzem noch der direkten Beobachtung verschlossen waren. Tragen sie aber auch etwas dazu bei, das Verhalten des Menschen und seine Reaktionen auf Innovationen und Neuerungen vorherzusagen?

Diese Rolle beansprucht für sich der neue Bereich Big Data samt der Predictive Analytics. Und selbst hier ist die Frage nach dem Menschen alles andere als nebensächlich. Wie können die Mitarbeiter in den Fachabteilungen optimal unterstützt werden, um diese als den Rohstoff des 21. Jahrhunderts bezeichnete Technologie effektiv einzusetzen? Was muss mit Blick auf die Mitarbeiter verändert werden bzw. gegeben sein, damit aus einem Unternehmen tatsächlich eine (Big) Data Driven Company wird? Sind es noch raffiniertere Algorithmen? Eine noch leistungsfähigere Technologie? Oder sind es Tools, die den Zugriff, die Suchanfragen und die Auswertung der Daten intuitiv, visuell eingängig und damit anwendergerecht gestalten? Wie muss eine Big-Data-Lösung aussehen, damit sie den Fachanwender vor Ort motiviert, das neue Werkzeug leidenschaftlich, intelligent und voller Neugier einzusetzen?

Eine neue Generation von Ökonomen rückt vom heute vorherrschenden mathematischen Kalkül in den Wirtschaftswissenschaften ab. Stattdessen stellt auch sie vertraute Fragen neu: Gibt es moralisch neutrale Käufe? Dürfen wir, was wir können? Ist Wachstum ein Gesetz, ein Axiom – oder lediglich eine Arbeitshypothese? Welche Folgen für Wirtschaft und Gesellschaft hat die Vorherrschaft des mathematischen Denkens in der Ökonomie?

Innovationen entstehen heute nicht mehr als Werk eines Genies. Um aus einer Idee eine wirkliche Innovation zu schmieden benötigt man multiples, ganzheitlich denkendes Management – und Teams. Genauer: Hochleistungsteams, die vom gemeinsamen Ehrgeiz, von der fachlichen Exzellenz des Einzelnen, einem leidenschaftlichen Spirit und dem Umwandeln von Dissonanzen in Spitzenleistungen getragen werden – und daher mehr sind als die Summe ihrer Einzelmitglieder.

Ganzheitlich sind auch die Petersberger Gespräche. Wir sind überzeugt, dass unser diesjähriger Kongress weit mehr sein wird als die Summe aller Vorträge, „On the Fly“-Praxisreferate, Teilnehmerbeiträge und Dialoge. Auf dieses „Mehr“ und den besonderen Petersberg-Spirit freuen wir uns sehr. Gestalten Sie es mit uns.

*Das Weltausstellungsmotto im Original: „Science Finds, Industrie Applies, Man Conforms.“