Zum 10. Mal heißt es „Willkommen bei den Petersberger Gesprächen!“
Zwischen Kontinuität und Disruption: Die digitale Transformation im Spannungsfeld von Kundennutzen und Privatsphäre, Komfort und Sicherheit
Stephan Huthmacher
Ob Smartphones, Computer, Kühlschränke, Garagentore, Autos oder Transport-Drohnen – schon bei der nächsten Fußball-WM in 2018 werden weltweit mindestens 18 Milliarden vernetzte und Cloud-basierte Geräte im Einsatz sein. Rechnet man die Entwicklung exponentiell weiter, so kommt man für das Jahr 2100 auf eine Trilliarde, eine Eins mit 21 Nullen. Das ist – wie von dem Zukunftsforscher Thomas Koulopoulos geschätzt – ungefähr so, als wenn jedes Sandkorn an den Küsten unserer Erde ein vernetzter Computer oder zumindest ein Embedded System wäre – mit 100 multipliziert!
Mit dem explodierenden Internet und der durchgehenden Digitalisierung der Wirtschaft stehen wir heute an der Schwelle zu einem neuen technologischen Schub. Einem Innovations-Tsunami, der unsere Wirtschaft ebenso von Grund auf verändern wird wie unsere Art zu leben, zu denken und miteinander zu kommunizieren.
Wo positionieren wir uns in diesem digitalen Transformationsprozess? Wir als Europäer, als Industrienation und als Unternehmer und Führungskräfte? Wie sind wir aufgestellt – und wie wollen wir uns aufstellen, um die enormen Chancen für Produktion, für neue Geschäftsmodelle und Dienstleistungen zu ergreifen? Wie gehen wir mit Risiken und Gefahren für unsere Unternehmen um, die die milliardenfache Vernetzung von Objekten, die anfällige Netzinfrastruktur und die technologische wie politische Verletzbarkeit der zentralen Datenspeicher in der Cloud mit sich bringen?
Nicht zuletzt: Folgen wir in unseren Produktstrategien lediglich vertrauten Entwicklungspfaden – oder sind wir auch in der Lage, disruptive Innovationen zu erkennen und sie in unsere Unternehmensstrategie zu integrieren? Dazu zählt z. B. die Weiterentwicklung vom Internet der Daten und Dinge hin zum Internet der intelligenten, datenbasierten Dienstleistungen, wie sie im aktuellen Zukunftsprojekt „Smart Service Welt“ skizziert und vorweggenommen wird. Demzufolge stehen wir vor einem Wandel des Produkt- zum Serviceparadigma, in dem selbst High-Tech-Produkte lediglich als Ausgangsprodukt für ein kundenzentriertes, sich zwischen Hersteller und Kunde zwängendes Internet- und App-basiertes Ökosystem aus intelligenten Services dienen.
Es ist überlebenskritisch, hier schnell, agil und kreativ zu sein, um die wichtigen Schnittstellen zwischen Produkt und Kunde zu besetzen. Es genügt nicht mehr, bei der Frage stehen zu bleiben, wie wir die besten Produkte herstellen und vertreiben können. Wir müssen weiterfragen und Konzepte entwickeln, wie wir eigene Ökosysteme bilden und so die Hoheit über den Kunden behalten können, anstatt in die Abhängigkeit von proprietären Service-Plattformen zu geraten.
Wachsamer und flexibler Umgang mit disruptiver Innovation und neue Geschäftsmodelle sind das eine, handfeste Bedrohungen das andere. Kurz: Wer von Chancen der Cloud-basierten Digitalisierung spricht, muss sich auch den Risiken stellen. Es gehört heute zu den zentralen Herausforderungen unserer Zeit, die Balance auf dem zweischneidigen Schwert aus Komfort, Effizienz und Wohlstand durch Digitalisierung auf der einen und Risiko für die Business- und Privatsphäre auf der anderen Seite zu finden.
Zu jedem Zukunftskonzept gehören Strategien und Maßnahmen, wie wir uns, unsere Produktionsprozesse, unser Wissen und unsere Innovationen vor Angriffen von außen schützen. Wie stopfen wir die Löcher im Schweizer Käse, an die viele Sicherheitskonzepte von Unternehmen und Institutionen erinnern? Wie bewahren wir uns davor, unfreiwillig für andere Unternehmen und Staaten zu forschen und zuzuschauen, wenn unser wichtigstes Asset – unser Wissen und unser Know-how – von Dritten ausspioniert und zum Markt getragen wird? Wie verhindern wir Missbrauch und Manipulation unserer Daten und Prozesse? Da Innovation auch auf Austausch beruht: Wie schaffen wir die Gratwanderung zwischen Kommunikation, Offenheit und Transparenz hier und sicherheitsorientiertem Inseldenken dort – zwischen Forum Romanum und Fort Knox?
Impressionen Petersberger Gespräche 2014
Eröffnungsrede von Stephan Huthmacher
Ein gefährlicher Pakt? – Die selbstgewählte digitale Unmündigkeit im Kontext von Digitalisierung und Ökonomie
- Wie formt die Digitalisierung unser Fühlen, Denken und Handeln?
- Was passiert mit dem Menschlichen, Zufälligen und Individuellen in einer Welt der digitalen Transparenz, Messbarkeit und des Vergleichs?
- Wie fügt sich die Verwandlung von allem und jedem in ein erfassbares und analysierbares „Objekt“ in die gegenwärtige Ökonomie ein? Warum akzeptieren wir die Pulverisierung unserer Privatsphäre und ändern nicht unser Verhalten – weder auf privater noch nationaler Ebene?
- Greift der bei Shareconomy, Crowdfunding und Open Source in Ansätzen beobachtbare Cultural Change – oder ist es letztlich doch zu bequem, unmündig zu sein?
- Was können Bildung und Wissenschaft, Industrie und Wirtschaft sowie Politik und Gesellschaft tun, um vom bloßen Konsumieren zum aktiven Gestalten unserer digitalen Welt überzugehen?
- Wie gewinnen wir die Handlungshoheit über unsere Informationssphäre wieder?
Führung für die digitale Transformation
Was tun Sie als Führungskraft, wenn „Industrie 4.0“ auf die Welt der „Internet-basierten Dienstleistungen“ trifft? Sich im Vorstandszimmer darauf berufen, dass man für Mathematik und Technik ja seine Leute hat? Oder sich doch in die technischen Details eingraben? Werden sowohl „Industrie 4.0“ als auch „Internet-basierte Dienstleistungen“ unabweisbare Chancen sein? Oder sollte man diese Themen doch als abzuwendendes Risiko begreifen? Was verändert sich am Werteversprechen Ihres Unternehmens unter den Rahmenbedingungen von „Industrie 4.0“ und „Internet-basierten Dienstleistungen“? Was sind die Aufgaben der Führung, um die erforderliche Technik- und Dienstleistungskompetenz zu definieren? Wieviel Sicherheit ist für das Produkt- und Dienstleistungsangebot erforderlich, wieviel lohnend und wieviel leistbar? Wie sehen Architekturen aus, die die stetige Weiterentwicklung der eigenen Lösungsangebote fördern und zugleich Intellectual Property schützen helfen? Wieviel Dialog mit heutigen Marktbegleitern ist erforderlich, um das gesamte Ökosystem voranzubringen? Ab wann kann Standardisierung nützlich und ab wann hinderlich sein? Wie erkennen Sie mögliche Bedrohungen für Ihr Geschäftsmodell und die Zeit für einen eventuellen Wandel? Welche Grundeinstellung kann dem zugrunde liegen? Wie lässt sich die Vorstellung der „Ambidextrous Leadership“, der Gleichzeitigkeit von Exploitation und Exploration, umsetzen? Welche Kompetenzentwicklung ist für die Mitarbeiter wünschenswert und was heißt das für die Unternehmenskultur? Die Gestaltung dieses Wandels ist die zentrale, wenngleich ungelöste Führungsaufgabe unserer Zeit. Statt aber letzte Antworten zu erwarten, sollte man sich der Auslotung verschiedener Antwortmöglichkeiten hingeben, denn Gewissheit steht erst am Ende des Diskurses.
Denn sie wissen nicht, was sie tun – Vom Eintritt in das digitale Zeitalter
In den 45 Sekunden, die es Sie kosten wird, diesen Text zu lesen, werden etwa 180.000.000 E-Mails versandt, 125.000 Stunden Video auf YouTube abgespielt und 2.800.000 Facebook-Einträge „geliked“ worden sein. Wir leben in einer Zeit unvorstellbarer Mengen von Daten, die jeden Tag generiert und transferiert werden. Sie sind Manifest des größten Motors, den das, was wir Wirtschaft nennen, jemals gesehen hat: die digitale Revolution. Wir erleben eine radikale Transformation aller Bereiche unserer Gesellschaft, deren Grundlage das Empowerment von mehr und mehr Menschen auf diesem Planeten durch den Uplink zum Netz ist. Es gilt, die Potentiale und Chancen dieser einmaligen Chance für Wohlstand, Gerechtigkeit und Teilhabe auszuschöpfen, für eine Zukunft mit Zukunft. Und es gilt, diese Zukunft vor den Kräften vergangener Systeme zu schützen, die durch anlasslose Massenüberwachung Gefahr laufen, Geschichte zu wiederholen. Nicht zuletzt für die Generation, die zwischenzeitlich 11.000.000 Nachrichten über WhatsApp verschickt hat.
„Anwenderberichte aus der Zukunft“ – Wie aus einem Überangebot an Ideen doch noch brauchbare Geschäftsmodelle entstehen können.
Nach der Elektrifizierung und „Elektronifizierung“ geht der Maschinen- und Anlagenbau mit hohem Tempo in ein Zeitalter der industriellen Digitalisierung und Vernetzung. Die Informations- und Kommunikationstechnik (engl. kurz ICT) sorgt für einen Innovationsschub und erweitert die Möglichkeiten nicht nur der Fabrikautomatisierung. Die Anbieter für Automatisierungstechnik erleben einen Boom und neue Wachstumschancen, weshalb auch Anbieter für Unternehmens-Software und andere ICT-Dienstleister das Produktionsumfeld für sich entdecken. Sich selbst parametrierende Produktionsmaschinen, selbstorganisierende Systeme und Konzepte wie „Cloud Computing“ oder „Big Data“ stellen die alten Konzepte um CIM in den Schatten. Gleichwohl suchen viele der auf Symposien und Kongressen vorgestellten Ideen um Industrie 4.0 noch ihre Nutzer. Nicht alles, was möglich ist, ist auch sinnvoll. Anhand von drei Anwenderberichten und Szenarien, die Ideen aus Industrie 4.0 aufgreifen, soll dargestellt werden, wie diese Suche heute in Industrieunternehmen abläuft und auf welche Geschäftsmodelle sich Anwender, Unternehmen und die Industriegesellschaft freuen dürfen oder worauf sie sich einstellen müssen – ganz wie man will.
Podiumsdiskussion
Anregende und spannende Gespräche gab es im Anschluss an die Vorträge in der Podiumsdiskussion. Teilnehmer und Referenten diskutierten über das facettenreiche Thema.