Füllhorn der Chancen – oder ein Feld ungelöster Probleme?

Timing, Antifragilität und Zukunftsfähigkeit in der Ära von Deep Tech.

Veranstaltungsdatum: 23.09.2023

Stephan Huthmacher

Der große französische Romancier des 19. Jahrhunderts, Victor Hugo, hat einmal gesagt: „Nichts auf der Welt ist so mächtig wie eine Idee, deren Zeit gekommen ist.“ Gegenwärtig, wo sich die generative KI und die dynamischen, an die menschliche Biologie angelehnten Entwicklungen in der Robotik auf breiter Front Bahn brechen, scheint dieses Bonmot treffender denn je. Diese disruptiven Technologien sind nicht nur mächtig, in einigen Bereichen wirken sie wie eine Abrissbirne. Jedenfalls sind sie in rasantem Tempo dabei, unsere Arbeitswelt, Wirtschaft und Gesellschaft radikal umzugestalten.

KI steht im Zentrum dieser Transformation. Was noch vor Kurzem als oft dystopische Science-Fiction oder Vision einiger mutiger Vordenker:innen galt, ist heute Realität. Die revolutionäre Kraft dieser Deep Tech-Innovation ist inzwischen unübersehbar: in Schulen, Universitäten, bis hin zu Entwicklungs- und Forschungslaboren, Marketingabteilungen und Vorstandsetagen der Wirtschaft. Die generative KI hat das Potenzial, die Art und Weise zu verändern, wie wir arbeiten, lernen, forschen und uns weiterbilden. Zweischneidig wie sie ist, kann sie uns einerseits informierter, schneller, effizienter und kreativer machen. Andererseits hat sie in Verbindung mit autonomen Systemen und humanoider Robotik die Macht, unsere Vorstellung, wie wir als Gesellschaft miteinander leben wollen, in einem Maße und Tempo zu beeinflussen, das von vielen als überwältigend empfunden wird.

Die Veröffentlichung von ChatGPT hat eingeschlagen wie ein Asteroid. Jetzt, wo sich der Staub etwas gelegt hat, können wir sowohl die Potenziale als auch die Herausforderungen der generativen KI klarer sehen. Dennoch oder gerade deshalb reichen die Reaktionen von ungefilterter Begeisterung über Mahnrufe und ernsthafte Bedenken bis hin zu Forderungen nach Regulierungen oder sogar nach einem Moratorium. Während also die einen diese Technologie als Erweiterung ihrer Fähigkeiten sehen und schätzen, sehen sich andere von ihr in Frage gestellt und zur Neupositionierung gezwungen.

Für Unternehmen wird es entscheidend sein, den richtigen Zeitpunkt und das richtige Maß zu finden, um in diese Technologie zu investieren und sie für die eigene Wettbewerbsfähigkeit zu nutzen. Sie stehen vor wichtigen Fragen: Ist unser Geschäftsmodell vor dem Hintergrund generativer KI und anderer Deep Tech-Innovationen noch zukunftsfähig? Wie hoch sind die Gesamtkosten durch Einbußen an Effizienz und Innovation, wenn wir mit der Digitalisierung zu lange zögern? Und: Wie sieht es mit unserer Veränderungsfähigkeit aus? Selbst wenn wir das richtige Timing finden – welche organisatorischen, mentalen und kulturellen Voraussetzungen muss ein Unternehmen erfüllen, um sich in dem Tempo verändern zu können, dass die rasante Technologie-Entwicklung vorlegt?

Diese Fragen und Herausforderungen betreffen nicht nur Unternehmen, sondern auch Staaten. Wer hat die Nase vorn im Rennen um die Pole Position in Sachen Deep Tech? Welche Faktoren machten ein Land wie China so erfolgreich? Gelten sie immer noch? Und wie positionieren wir uns in diesem Spannungsfeld von Partnerschaft und Rivalität?

Hinzu kommt: KI und Neurorobotik berühren uns im Kern dessen, was es bedeutet, menschlich zu sein. Die Reaktionen polarisieren auch hier. Gefragt, was das spezifisch Menschliche an uns ist, haben wir uns bisher auf unsere Fähigkeit zur Innovation, Schöpfung, Intelligenz und Kreativität berufen. Die Kritiker:innen der aktuellen Entwicklung sagen: All dies werde durch die generative KI mit einem großen Fragezeichen versehen. Andere sagen: Die KI wird zwar einiges überflüssig machen, doch noch mehr radikal verändern oder weiterentwickeln und neue, heute noch unbekannte Türen öffnen. Es wird andere Formen von Kreativität geben. Die Innovationsfähigkeit und der Einfallsreichtum von Menschen und Organisationen wird sich an anderen Maßstäben messen lassen müssen. Auch das Tempo wird sich insgesamt verändern. Voraussetzung dafür wird sein, dass wir nicht gegen, sondern mit der Technologie und ihren Möglichkeiten gehen und sie in einer Mensch-Maschine-Kooperation für unsere Zwecke nutzen. Time will tell.

Eines steht fest: Noch nie war Deep Tech so aufregend wie heute! Dieser Dynamik versuchen wir auf unserem Kongress gerecht zu werden, indem wir einen weiten thematischen Bogen spannen. Unsere Referentinnen und Referenten werden uns die Inspiration für etwas geben, das wir Menschen (nach wie vor!) am besten können und das wir für unsere Weiterentwicklung als Individuen und als Gesellschaft so dringend brauchen: bereichernde Begegnungen, anregende Gespräche und erkenntnisfördernde Diskussionen.