To be digital – or not to be?
Digitale Transformation zwischen Versprechen, Realität und Zukunftsentwurf.
Stephan Huthmacher
Wie alle großen Umwälzungen wirft auch die digitale Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft ihre Schatten voraus – immer schneller und dichter auftauchende ‚Marker’, die aufzeigen, dass etwas fundamental Neues entsteht. Sie tragen Namen wie Internet der Dinge, Industrie 4.0, individualisierte Massenfertigung, Automatisierung, Smart Service Welt, Plattform-Ökonomie, Macht der Algorithmen, Big Data, Cyber-physische Systeme oder Disruption, um hier nur die bekanntesten zu nennen. Doch so vertraut und zunehmend real diese Begriffe für uns bereits sind, markieren sie lediglich Gelenke, an denen wir feststellen, dass sich unsere Welt in sämtlichen Bereichen auf eine Art und Weise zu verwandeln beginnt, für die es weder Analogien, Erfahrungswerte noch Rezepte gibt.
Dabei handelt es sich um mehr als nur eine besonders starke lineare Beschleunigung, wie sie für die Industrialisierung seit ihrem Beginn vor knapp 300 Jahren kennzeichnend war. Der durch die Digitalisierung ausgelöste Entwicklungsschub ist dagegen exponentiell. Gemessen wird er nicht mehr in Schritten, vielmehr in Potenz-Sprüngen. Die Treiber: Vernetzung, Cloudisierung, Kybernetisierung. Das Neue: Jedes denkbare Objekt kann mit Sensoren versehen, adressiert und über die Cloud mit jedem anderen vernetzt werden, so dass es jederzeit und überall in der Lage ist, mit jedem anderen Objekt Informationen auszutauschen und zu kommunizieren. Die Folge: Effizienz- und Flexibilisierungsgewinne, disruptive Produkte und Geschäftsmodelle, sich selbst verstärkende Netzwerkeffekte und Wertschöpfungsverlagerungen vom Produkt zur Nutzung, von Leistungserbringung zur Vermittlung. All diese Faktoren machen die mit der Digitalisierung verbundenen Prozesse hochgradig komplex, in ihrer tatsächlichen Auswirkung nur schwer vorhersagbar und nahezu unendlich skalierbar.
Wo exponentielle Prozesse auf lineares Denken treffen, entstehen Spannungen und Reibungsverluste. Zu erkennen sind sie unter anderem an der Angst oder zumindest Skepsis, die die öffentliche Diskussion vor allem bei uns in Deutschland bestimmen. Unbestritten ist, dass die mit der Digitalisierung einhergehenden Herausforderungen immens sind. Beispielhafte Stichworte: Wegrationalisierung von Arbeit, technologische Abhängigkeit in Schlüsselbereichen, Monopolbildung und Datenschutz. Leider wird dabei allzu oft die positive Kehrseite der Medaille übersehen. Gemeint sind die durch Digitalisierung entstandenen und im Entstehen begriffenen Chancen und Wettbewerbsvorteile. Diese gelten nicht nur für Deutschland und Europa, vielmehr für alle Märkte und Volkswirtschaften. Statt noch mehr Skepsis brauchen wir daher eine neue Kultur im Umgang mit Digitalisierung. Eine offene Einstellung und einen Diskurs, der aktuelle und künftige Aktivposten für Wirtschaft, Gesellschaft und den Einzelnen durch die digitale Transformation hervorhebt und uns auf diesen unumkehrbaren Prozess vorbereitet.
Haben wir eine Wahl? Ja, durchaus. Allerdings nur die, den Digitalisierungsprozess entweder selbst mit zu gestalten oder gestaltet und damit im globalen Wettbewerb abgehängt zu werden. Zwischen Sein oder Nicht-Sein.
Statt mit der Digitalisierung zu fremdeln, lohnt es sich daher, folgende Fragen in den Vordergrund zu rücken:
- Wie kann ein positiver Entwurf einer digital transformierten Gesellschaft aussehen?
- Wie können wir das Paradoxon vollbringen: Das Unvorstellbare denken – und uns gleichzeitig in einem positiven Akt darauf einstellen und es realisieren wollen?
- An welchen Werten, Maximen und Parametern kann man sich weiterhin orientieren?
Was bringt Orientierung und Stabilität, wenn der fest geglaubte Boden unter den Füßen unwiderruflich und rasant in Bewegung gerät? - Wie sehen die Geschäftsmodelle im Zeichen von Vernetzung und intelligenter Maschinen aus? Was macht das eigentliche „Produkt“ aus und woraus besteht die Wertschöpfung, wenn der Trend zur „Nullgrenzkosten-Gesellschaft“ (J. Rifkin) weiterhin anhält?
- Das iPhone ist acht Jahre jung, die Cloud (in der Art, wie wir sie nutzen) gerade einmal sechs: Wie lassen sich vor dem Hintergrund der Veränderungsenergie dieser Innovationen Voraussagen überhaupt darüber treffen, wie unsere Welt in den nächsten 5 bis 10 Jahren aussehen wird?
Es sei, so der attische Staatsmann Perikles, nicht so sehr unsere Aufgabe, die Zukunft vorauszusagen, als vielmehr, auf sie gut vorbereitet zu sein. Das nehmen wir als Programm und betrachten unseren diesjährigen Austausch als einen Beitrag, die digitale Transformation noch besser zu verstehen, ihre Potentiale sowohl zu erkennen als auch zu würdigen und die auf uns zu rasenden Veränderungen willkommen zu heißen.
Impressionen Petersberger Gespräche 2015
Eröffnungsrede von Stephan Huthmacher
Mensch und Maschine. Das neue Miteinander in der digitalisierten Welt.
Alles, was digitalisiert werden kann, wird digitalisiert. Und alles, was vernetzt werden kann, wird vernetzt. Darum geht es im Kern bei der „digitalen Revolution“ bzw. der „digitalen Evolution“. Evolution, weil die Digitalisierung mit Auslese verbunden ist. Wer sich nicht anpasst, geht unter. Und Revolution, weil die Digitalisierung sich in einem ungeheuren Tempo vollzieht. Es handelt sich um eine exponentielle Entwicklung, die unser durch lineares Denken bestimmtes Vorstellungsvermögen zum Teil übersteigt. Wie aber reagieren wir auf eine womöglich unvorstellbare Zukunft? Wie richten wir Denken und Handeln neu aus? Was tun wir, wenn bis 2020 tatsächlich bis zu 50 Prozent aller Arbeitsplätze durch Maschinen ersetzt werden? Weil diese nicht mehr nur Muskelkraft, sondern auch geistige Tätigkeiten substituieren. Angst und Technologieskeptizismus werden nicht weiterhelfen. Sie verhindern nur, dass wir Chancen verpassen, bei denen andere zugreifen. Stattdessen müssen wir die Gesellschaft so positionieren, dass sie sich flexibel auf jede noch so unvorstellbare Zukunft einstellen kann. Bausteine und Anstöße dafür liefert der Vortrag.
Leider steht hier kein Video des Vortrags zur Verfügung!
Die nächste Welle – Warum wir aufhören müssen, Technik als solche zu regulieren.
Wir stehen an der Schwelle von Technologiewellen, die es in dieser Geschwindigkeit und Wucht so noch nie gab. Chancen für neue Geschäftsmodelle, Chancen, sich anders zu organisieren, sich neu zu erfinden, Chancen am Wettbewerb vorbei zu ziehen – einerseits. Aber gibt es auch Chancen für die Gesellschaft? Welche Herausforderungen müssen wir meistern, um den technischen Wandel auch zum Erfolg für alle Menschen werden zu lassen? Wie können wir in Technik und Gesellschaft dafür sorgen, dass die Utopien wahr werden, nicht die Dystopien? Der Weg dorthin führt über eine Rückbesinnung auf die Ideale der europäischen Aufklärung. Anstatt weiter kleinteilig die neu aufkommenden technischen Merkmale von Systemen reglementieren zu wollen, müssen wir zu einer Ergebnis- und Prinzipien-orientierten Politik der Regulierung zurückkehren. Was fehlt, ist die pragmatische Abbildung der einst erfolgreichen Prinzipien auf die neuen Randbedingungen. Es gilt, die bereits implementierten und erprobten Vereinbarungen unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens auch für das „digitale“ Leben in vernetzten Systemen mit Hilfe positiver Denkansätze verfügbar zu machen. Sie sind die dringend notwendigen Stabilitätsfaktoren in der von Fortschritt und Innovation überhitzten, chaotischen Welt.
Are we ready for the future shock? Wie die digitale Transformation unsere Welt und uns in den nächsten 5 bis 10 Jahren verändert.
Mit der digitalen Transformation gehen wir immer schneller auf eine Welt zu, die sich wie wahr gewordene Science Fiction anfühlt. Augmented und Virtual Reality, Big Data und das Internet der Dinge, allgegenwärtige intelligente digitale Assistenten (AI) und künstliche Intelligenz (KI), Deep Learning und Cognitive Computing, die sich exponentiell entwickelnde Digitalisierung, Automatisierung und Roboterisierung werden unsere Welt – und speziell Europa – in den nächsten 5–8 Jahren dramatisch verändern. Ich denke, dies wird zum Großteil positive Konsequenzen haben, was z.B. den Sieg über Krebs oder Alzheimer durch Genetic Engineering oder ein Eindämmen des Klimawandels durch einen radikalen Wandel des Energie-Ökosystems mit einschließt. Eines steht fest: Die kommenden und dramatisch exponentiellen technologischen Sprünge werden fundamentalen Einfluss auf alle unsere Lebensbereiche haben. So zum Beispiel darauf, wie wir arbeiten, was wir wissen und verstehen müssen, wie wir miteinander kommunizieren und uns, unsere Produkte und Ideen vermarkten, wie wir forschen, innovative Produkte und Prozesse entwickeln und wie wir unsere Unternehmen führen. Die zentrale Frage, vor der viele Unternehmen kapitulieren, ist aber: Was daran ist Hype – und wie lässt er sich von einer wahrscheinlich eintretenden Zukunft unterscheiden? Was sind die größten Chancen und Möglichkeiten und was die größten Herausforderungen, die wir erwarten und auf keinen Fall ignorieren dürfen?
Gerd Leonhard vertritt die These, dass sich die Menschheit in den nächsten 20 Jahren mehr verändern wird als in den vergangenen 300 Jahren. Der Vortrag wird die wichtigsten Zukunftsszenarien aufzeigen und mögliche Wege skizzieren, die wir – höchstwahrscheinlich – nicht erst in 20, vielmehr schon in den kommenden fünf bis zehn Jahren gehen werden.
Podiumsdiskussion