Prof. Dirk Helbing
Dirk Helbing ist seit 2007 Professor für Computational Social Science am Department für Geistes-, Sozial- und Politikwissenschaften sowie Mitglied des Informatikdepartments der ETH Zürich. Seit Juni 2015 ist er assoziierter Professor an der Technischen Universität Delft, wo er die Doktorandenschule "Engineering Social Technologies for a Responsible Digital Future" leitet. Helbing studierte Physik und Mathematik in Göttingen, promovierte und habilitierte in Theoretischer Physik in Stuttgart. Als Wissenschaftler arbeitete er anschließend in Israel, Kalifornien und Ungarn.
Im Jahr 2012 gewann er den Idee Suisse Award. Er begründete das Kompetenzzentrum für Krisenbewältigung in komplexen sozio-ökonomischen Systemen, das Risk Center, das Institut für Science, Technology and Policy und das Decision Science Laboratory (DeSciL) mit. Während der Koordination der FuturICT-Initiative half er, die Datenwissenschaft und die Computational Social Science sowie die globale Systemwissenschaft in Europa zu entwickeln. Helbing ist Mitglied der Deutschen Akademie der Wissenschaften „Leopoldina“ und der Weltakademie für Kunst und Wissenschaft. Er arbeitete für das World Economic Forum im Rahmen des Global Agenda Councils für komplexe Systeme. Er war Mitglied der externen Fakultät des Santa Fe Instituts und gehört heute zur externen Fakultät des Complexity Science Hubs in Wien, sitzt in den Boards des Global Brain Instituts in Brüssel und des Internationalen Zentrums für Erdsimulation in Genf. Er ist auch involviert im Bereich Citizen Science, im Staatslabor (einer Schweizer GovLab Initiative) sowie an der Etablierung von Blockchain [X] und des Blockain Labs in Delft. Er ist Mitglied verschiedener staatlicher und akademischer Wissenschaftsausschüsse, die sich mit der digitalen Transformation unserer Gesellschaft befassen, und gehört zu den Unterstützern der Digitalen Grundrechte-Charta.
Prof. Dirk Helbing: Interview
Superintelligenz – und dann?
In 2 Jahrzehnten, so schätzt man – ist es soweit, und Künstliche Intelligenz übertrumpft den Menschen in fast allen Bereichen. Vielleicht erleben wir diese sogenannte Singularität aber schon früher. Werden dann superintelligente Systeme unsere Weltprobleme lösen und die Welt optimal regieren, oder bleibt das ein unerfüllter Traum? Und was passiert mit unseren Arbeitsplätzen? Wird es den Menschen noch brauchen? Werden wir leben wie Götter oder wie Haustiere, oder von Robotern achtlos vernichtet werden wie Ameisen, fragte einst Steve Wozniak, der Mitbegründer von Apple. Wir ahnen schon, dass die Künstliche Intelligenz nicht nur die Wirtschaft, sondern auch die Gesellschaft durcheinander wirbeln wird. Neben der digitalen Transformation braucht es die gesellschaftliche Transformation. Wie aber kann diese aussehen, um fit für die Zukunft zu werden? Ich erläutere, dass wir neue Arten von digitalen Plattformen benötigen, um unsere Gesellschaft nachhaltig und krisenfest zu machen. Um auf ein neues Level von Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur zu gelangen, braucht es außerdem eine digitale Transformation des Geld- und Finanzsystems und Maßnahmen, die zu einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft und Sharing Economy führen, damit die begrenzten Ressourcen des Planeten auch in Zukunft reichen. Ich erläutere, dass sich die faszinierenden Möglichkeiten digitaler Technologie nicht mit allgegenwärtigen superintelligenten Systemen erschöpfen, sondern dass die eigentliche digitale Revolution erst noch kommt – jene, die jeden befähigt, bessere Entscheidungen zu treffen, kreativer und innovativer zu sein, sich besser zu koordinieren und zu kooperieren. Ko-Kreation, Ko-Evolution und kollektive Intelligenz sind die Erfolgsrezepte der Zukunft. Europa könnte Weltmarktführer in dieser zweiten Phase der Digitalisierung werden.